Interviews

Der Schriftsteller Thomas Brussig über die verflossene DDR, die Zusammenarbeit mit Leander Haußmann, über Ehrgeiz, Misserfolge und verkäufliche Literatur

SPIEGEL: Herr Brussig, gleich zwei Spielfilm-Rückblicke auf die DDR sind jetzt nach Ihren Vorlagen entstanden und werden im Herbst in die deutschen Kinos kommen: "Sonnenallee" im Oktober, "Helden wie wir" im November. Sind Sie der Generalbevollmächtigte für Nostalgie zum zehnten Jahrestag des Mauerfalls?

Brussig: Ich mache die Filme ja nicht. "Helden wie wir" ist die Verfilmung meines 1995 erschienenen Romans, und der "Sonnenallee" -Stoff ist von Leander Haußmann, dem Regisseur, stark mitgeprägt worden.

Der Schriftsteller über Heimat, trügerische Erinnerungen und den glücklichsten Moment im Leben

Sind Sie ein Heimatdichter, Herr Brussig?

Jeder, der es will, kann mich als Heimatdichter bezeichnen, aber ich käme nie auf die Idee. Es ist ja auch immer schön, für jemanden Begriffe zu finden. Es is natürlich chic und gegen den Strich, weil man bei Heimatdichter an Heidi und die Alm denkt.

Thomas Brussig und Ingo Schulze, Erfolgsautoren der Nach-Wende-Generation, im Gespräch über die DDR und den Osten, über Literatur und die Schwierigkeit, den Westen zu verstehen

Als Thomas Brussigs "Helden wie wir" 1995 erschien, feierte die Kritik das Buch als lang ersehnten Wenderoman. Daß er in Gestalt einer Groteske unter die Deutschen kam, hätte man allerdings nicht erwartet, und doch zeigt sich in der komischen Geschichte vom sexuell und auch sonst ziemlich verkorksten Mauerumwerfer Klaus Uhltzscht, wie sich der großen Geschichte auf unpathetische Weise beikommen läßt. Auch Ingo Schulze bevorzugt den nicht so hohen Tonfall und die kleine Form. Nach den kurzen Erzählungen "33 Augenblicke des Glücks" veröffentlichte er in diesem Jahr "Simple Storys'' - Geschichten aus dem Nach-Wende-Alltag - und gilt seither als der Shooting-Star des Ostens. Thomas Brussig (Jahrgang 1965) und Ingo Schulze (Jahrgang 1962) verbindet nicht nur ihr Erfolg. Doch sie kannten sich bisher nicht. Für das taz-Gespräch trafen sie sich zum ersten Mal.

Interview mit Leander Haußmann und Thomas Brussig

Frage: Wer ist betrunken heute?
Brussig: Frag lieber: ist jemand betrunken heute...
Frage: Ist jemand betrunken heute?
Haußmann: Nein, nicht mehr.

Thomas Brussig über DDR-Nostalgie, Sex, sozialistische Perversion und seinen Roman »Helden wie wir«


W Wann haben Sie mit der Arbeit an »Helden wie wir« begonnen?

Angefangen habe ich an einem Tag im Februar 1992. Ende 1991 gab es ein Klassentreffen, das hat mich total bewegt. Ein Vierteljahr später habe ich mich dann hingesetzt und geschrieben. Ich hatte auch den »Gefühlsstau« von Hans-Joachim Maatz gelesen und »Portnoys Beschwerden« von Philip Roth. Da habe ich gemerkt, wie wirksam es sein kann, über Sexualität zu schreiben, wenn man kein Blatt vor den Mund nimmt.

Interview: Volker Gunske und Sven S. Poser

tip: Herr Brussig, in Ihren Büchern "Helden wie wir" und "Am kürzeren Ende der Sonnenallee " und den Verfilmungen, zu denen Sie ebenfalls die Drehbücher schrieben, widmen Sie sich ausschließlich der Aufbereitung der DDR-Vergangenheit. Sind Sie so etwas wie der literarische Abschnittsbevollmächtigte Ost?

Thomas Brussig: Es ist natürlich klar, dass, wenn am 9. November in Deutschland oder Europa irgendwelche Fernsehfeatures laufen, die Teams sich auch nach Schriftstellern umschauen. Und dann fällt ihnen Peter Schneider ein, Stefan Heym und wahrscheinlich ich. Trotzdem spüre ich da keinen Druck. Es ist nicht so, dass ich jetzt denke: Mensch, da gibt's keinen Mauerfallspezialisten, also werde ich diese Rolle jetzt bis an mein Lebensende besetzen. Dazu bin ich ein viel zu neugieriger Typ, der auch nach neuen Herausforderungen sucht.

Interview: Von Martin Krauss und Malte Oberschelp | © RUND, ZEIT online, 21.08.2006

Schlagworte: Bundesliga Fernsehsender Heldentum Weltmeisterschaft Seit sein Buch „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“ verfilmt wurde, ist der Berliner Schriftsteller Thomas Brussig nicht nur in Deutschland ein bekannter Mann. Das erste Fußballspiel, an das er sich erinnern kann, ist das 1:0 der DDR gegen die Bundesrepublik bei der WM 1974 – Gründe genug, mit dem Erfolgsautor über Fußballbücher, seine Fankarriere und die Farben schwarz, rot, gold zu reden.

Schiedsrichter Fertig: Die Fragen stellte Michael Reinsch, FAZ, 22.10.2007

Herr Brussig, der erste Satz Ihres neuen Buches „Schiedsrichter Fertig“ beginnt „Als ich das Gerichtsgebäude verließ...“ Handelt es von Robert Hoyzer?

Nein. Hoyzer war korrupt, aber das sind wir ja im Prinzip alle. Wir hören ein Kompliment – und fallen um. Richtige Schiedsrichter lasen sich von Zehntausenden beschimpfen und auspfeifen – und stehen darüber. Höchste Zeit,daß sich die Literatur mal für einen Schiedsrichter interessiert.